„Wenn die Totenglocke schweigt“

Die Totenglocke ist oft noch das letzte Relikt einer alten Trauerkultur − ansonsten hat sich das Abschiednehmen stark verändert: Gestorben wird heute nicht mehr zuhause, der Sarg bleibt geschlossen und in acht Minuten ist die Trauerzeremonie vorbei. Die alten Bräuche sind nun Vorlage für einige Bestatter, die einen Weg aus dem unpersönlichen Abschiednehmen suchen.

Wenn die Totenglocke läutet, dann weiß man auf dem Dorf ganz genau, dass ein Mitbürger gestorben ist. Bis heute wird diese Tradition in der ländlichen Gegend aufrechterhalten − auch wenn hier die meisten Menschen ihre letzte Stunde im Krankenhaus oder Pflegeheim verbringen. Noch vor einigen Jahrzehnten war es ganz normal, dort zu sterben, wo man geboren wurde − nämlich zuhause, im Kreise seiner Lieben. Und dementsprechend gab es auch eine ganz besondere und zutiefst menschliche Trauerkultur.

 

Drei Tage Abschied

Die 83-jährige Dietramszellerin Annemarie Heilgemeir erinnert sich noch gut an die vergangenen Totenbräuche: Drei Tage lang war der Verstorbene in der Wohnstube im offenen Sarg aufgebahrt. Zum einen habe man zu dieser Zeit wohl große Ängste in Bezug auf den Scheintod gehabt, erinnert sich die alte Dame. Doch trotzdem waren die drei Tage vor allem für eines gedacht: Bei einer Totenwache mit Rosenkranzgebet nahmen Familie und Freunde Abschied und auch die Nachbarn kamen, um die letzte Ehre zu erweisen. „Sterben und naus beim Haus, des war früher gar ned denkbar. Man hat drei Tag den Abschied gehabt und des war würdevoller wie heut“, erinnert sich die die 83-Jährige. Damals hätte der Tod einfach noch zum Leben gehört. „Ich weiß selber ned, warum man heut so Angst hat“, fragt sie sich.

Heute hat man auf manchen Friedhöfen gerade mal acht Minuten zum Abschied. Das ist die Zeit, die in der Aussegnungshalle für eine Trauerfeier vorgesehen ist. Die Zeit drängt im Allgemeinen, denn es bleiben nur drei Tage, bis der Leichnam unter der Erde sein muss. Und dem Tod ins Gesicht blicken, das will ohnehin kaum noch jemand: Der Sarg bleibt verschlossen, gestorben wurde im Krankenhaus, selbst das letzte Hemd kommt oft noch vom Bestatter. Doch von dieser „Entsorgung“ will eine Reihe neuer Bestattungsinstitute wieder weg − hin zum „sich Verabschieden“. Auch wenn sich Fremde statt der Familie um die Toten kümmern, so soll der Abschied doch möglichst persönlich gestaltet werden.

Lieblingsmusik, Lieblingskleidung und eine individuelle Gestaltung der Sterbebilder sind dabei nur der Anfang. Mit der Unterstützung von Menschen, die dem Tod alltäglich begegnen, entscheiden sich immer mehr Angehörige dafür, auch einen Blick auf den Verstorbenen zu werfen. Dazu haben sie die Möglichkeit in einem geschützten, würdigen Ambiente − einem stillen und geschmückten Raum im Bestattungsinstitut. „Wir haben immer wieder die gleiche Erfahrung gemacht: dass es den Trauernden danach viel besser geht, wenn sie sich zu diesem Schritt entschließen, und dass sie auch viel stabiler sind“, erklärt Bestatterin Martina Feuchter. Man versucht, an alte Sterbebräuche anzuknüpfen − und dabei trotzdem modern zu sein.

Quelle: BR-Online

Am Grab

Früher waren Gräber Kultstätten, auf denen den Toten Opfer gebracht wurden: Grabbeigaben wie Briefe, Blumen, geweihte Gegenstände, eine Münze und Dinge, die mit der Leiche in Berührung gekommen sind. Bis zum Dreißigsten eines Monates lässt man die ganze Nacht ein Armeseelenlicht brennen.

Beim Zuschütten des Grabes müssen sich alle Angehörigen beteiligen. Davon rührt heute noch die Handvoll Erde her. Später gab es dann den Glauben, dass bald jemand aus der Familie stirbt, wenn Angehörige beim Zuwerfen des Grabes anwesend sind. Die Besprengung des Grabes mit Weihwasser, das Aufstellen von Grabkreuzen und das Glockenläuten sollen die Ruhe des Toten sichern und verhindern, dass er wiederkommt.

Die Gemeinschaft der Lebenden

Das gemeinsame Essen nach der Beerdigung ist die Bekräftigung der Gemeinschaft der Lebenden und gleichzeitig ein Abschiedsfest für den Toten. In ganz alten Bräuchen fand das Mahl direkt am Grab statt. Vor dem Essen, das sehr üppig sein und mehrere Tage dauern soll, wäscht sich jeder die Hände. Für den Toten bleibt ein Platz frei.


In Polnisch-Oberschlesien kam es noch Ende der 1950er Jahre vor, dass sich die Hinterbliebenen auf den frisch aufgeschütteten Grabhügel setzten, Brot und Käse aßen, aus einer Flasche einen Umtrunk hielten und dabei religiöse Lieder sangen.

Trauerbräuche

Am Abend vor der Beerdigung wird das Totenhemd genäht. Jeder aus der Familie soll einen Stich machen. Ehe der Sarg geschlossen wird, treten alle zu dem Toten, geben ihm die Hand und bitten ihn um Verzeihung. Die jüngsten Verwandten fangen mit dem Abschiednehmen an. Die Trauerzeit, in der schwarze Kleidung und kein Schmuck getragen wird, beträgt gewöhnlich ein Jahr für die nächsten Angehörigen.

Es heißt, man stört die Toten, wenn man zu viel von ihnen spricht oder zu viel an sie denkt. Redet man von ihnen, sollte man ein „Gott hab ihn selig“ aussprechen. Redet man Böses über sie, könnten sie sich rächen. Alt und weit verbreitet ist das Verbot, den Toten zu sehr zu beklagen und zu beweinen. Ein Zuviel sei schädlich. Man könnte den Toten zurückrufen oder festhalten. Besonders einem toten Kind sollten die Eltern nicht nachweinen. Es findet keine Ruhe und muss die Tränen im Jenseits trinken. Darauf beruht das Sagenmotiv vom nassen Totenhemdchen oder dem Tränenkrug.

Die Totenklage

Dazu im Widerspruch steht der Brauch der Totenklage, der besagt, dass es den Toten tröstet, zu sehen, wie sehr er geliebt wurde. Deshalb soll man laut klagen, sich die Kleider zerreißen und die Haare raufen. Hierher gehört die Tradition der Klageweiber.

(Auszug aus: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens von Hanns Bächthold-Stäubli)

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